Was sollten wir von den EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten und den Unternehmen erwarten, jetzt da David vor dem EU-Gerichtshof Goliath besiegt hat? WSRW hat einige Vorschläge ausgearbeitet.
Foto: @ElliLorz. Zwei Arbeiter auf dem Weg zu einer Plantage in der Nähe von Dakhla, besetzte Westsahara.
Das sahrauische Volk hat vor dem EU-Gerichtshof in allen Punkten gewonnen. Die EU und Marokko können ihre Plünderung der Ressourcen der besetzten Westsahara nicht mehr fortsetzen.
Und was nun?
Das empfiehlt Western Sahara Resource Watch:
An die Europäische Union:
- Sofortige Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Polisario-Front zur Entwicklung rechtskonformer bilateraler Beziehungen mit dem Gebiet, insbesondere in den Bereichen Handel und Fischerei;
- eine strikte Unterscheidungs-Politik zwischen den Gebieten Marokkos und der Westsahara im gesamten Spektrum der EU-Geschäfte, die die Einhaltung der EU-Gesetzgebung und -Rechtsprechung in Bezug auf den gesonderten und unterschiedlichen Status der Westsahara und die erforderliche Zustimmung des sahrauischen Volkes gewährleistet;
- öffentliche Anerkennung und Anwendung des Besatzungsrechts in Übereinstimmung mit den EU-Leitlinien zum humanitären Völkerrecht im Umgang mit dem Gebiet der Westsahara;
- Aufnahme einer Territorialklausel in alle EU-Abkommen mit Marokko, die die Westsahara ausdrücklich ausschließt; Verabschiedung einer rechtlichen Definition des "Territoriums Marokko" in allen EU-Rechtsakten im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH;
- Aussetzung aller laufenden und geplanten Finanzierungen seitens der EU und der Mitgliedstaaten, die direkt oder indirekt zur Stärkung der marokkanischen Politik der Annexion und des demografischen Engineerings in dem Gebiet beitragen; von Marokko die Rückzahlung aller vergangenen und laufenden Finanzmittel zu verlangen, die von der EU in Bezug auf die Westsahara unrechtmäßig gewährt wurden;
- Einschaltung des EU-Betrugsbekämpfungsamts (OLAF) im Zusammenhang mit nicht bezahlten Zöllen von in der EU ansässigen Importunternehmen, die durch die unrechtmäßige Anwendung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Marokko seit dem Jahr 2000 entstanden sind
- Einrichtung eines Treuhandfonds als erster Schritt zur Entschädigung des sahrauischen Volkes für die Schäden, die durch die jahrzehntelange Politik des illegalen Handels und andere Vereinbarungen, die dem Besatzer Marokko unrechtmäßig zugute kamen, verursacht wurden.
- Die Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten für die Westsahara;
- die Wiederaufnahme von aktiven Konfliktlösungsbemühungen unter Führung der UN und darauf zu bestehen, dass die UN-Mission (MINURSO) ein Menschenrechtsmandat erhält;
- Unterstützung der sahrauischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Menschenrechtsaktivist:innen in den besetzten Gebieten und in den Geflüchtetencamps;
- Entwicklung einer öffentlichen Diplomatie gegenüber der marokkanischen Öffentlichkeit, um die EU-Politik gegenüber der Westsahara zu erklären.
An die Europäische Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst:
- Durchführung einer umfassenden Bestandsaufnahme der Beziehungen der EU zu Marokko (einschließlich diplomatischer Beziehungen, Handel, technischer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit) und Gewährleistung der Einhaltung der EU-Gesetzgebung und -Rechtsprechung in Bezug auf die Westsahara;
- Überwachung der Einhaltung der EU-Differenzierungsanforderungen durch Marokko in Übereinstimmung mit der Pflicht der Europäischen Kommission als Hüterin der EU-Verträge, die ordnungsgemäße Umsetzung zu überwachen
- Ausschluss der Ursprungsbescheinigung der marokkanischen Stelle ONSSA für alle Betriebe, die sich außerhalb der international anerkannten Grenzen Marokkos befinden, aus ihren Listen für zugelassene Betriebe;
- Überprüfung und Sicherstellung der Einhaltung der Listen zugelassener Betriebe in Marokko und Ausschluss aller Betriebe in der Westsahara von diesen Listen;
- Ausschluss von Gesundheits- und Lebensmittelsicherheitsbescheinigungen, die von marokkanischen Behörden für in der Westsahara hergestellte Produkte ausgestellt wurden;
- Exportzulassung für Betriebe aus dem Gebiet der Westsahara nur dann, wenn die Polisario-Front im Namen des sahrauischen Volkes zugestimmt hat;
- Anwendung von Drittlandzöllen auf Einfuhren aus der Westsahara in die EU und entsprechende Anpassung des TARIC-Systems;
- die nationalen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten anzuweisen, den Ursprung der aus Marokko eingeführten Waren zu überprüfen und - falls sie tatsächlich aus der Westsahara stammen - in diesen Fällen falscher Ursprungserklärungen die Einfuhr zu verweigern;
- die nationalen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten anzuweisen, die korrekte Etikettierung von aus der Westsahara eingeführten Waren zu überprüfen und sicherzustellen, dass nur die Westsahara als Ursprungsland dieser Waren angegeben wird, ohne dass ein Hinweis auf Marokko erfolgt. Sofortige Einleitung von Maßnahmen im Falle einer falschen Kennzeichnung.
- Verabschiedung von Unternehmensleitlinien auf EU-Ebene, die europäische Unternehmen über Geschäftstätigkeiten in besetzten Gebieten informieren, einschließlich der schwerwiegenden finanziellen Risiken, die bei Verwendung von Vereinbarungen, Verträgen, Genehmigungen, sanitären und phytosanitären Inspektionen der marokkanischen Besatzungstruppen, die rechtlich null und nichtig sind, entstehen;
- die Überwachung künftiger Handelsabkommen zwischen der EU und der Westsahara durch die Zivilgesellschaft vor Ort zu unterstützen, sich öffentlich zu ihrer Verantwortung für die rechtswidrigen Vereinbarungen der EU mit Marokko in Bezug auf die Westsahara zu bekennen, sich öffentlich beim sahrauischen Volk für diese fehlgeleitete Politik zu entschuldigen und sich zu verpflichten, dies nicht zu wiederholen. Die für dieses juristische und politische Fiasko verantwortlichen hohen Beamt:innen zu bestrafen.
An das Europäische Parlament:
- Die strikte und vollständige Einhaltung der Urteile des EU-Gerichtshofs durch die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten zu überwachen und zu gewährleisten, auch durch ein jährliches Überprüfungsverfahren.
- Eine sofortige Anhörung zu den praktischen Folgen des Urteils in den zuständigen Ausschüssen, nämlich INTA, PECH, AGRI, JURI und AFET, zu beantragen.
- die Kommission aufzufordern, eine Bewertung der finanziellen Auswirkungen des Gerichtsurteils vorzunehmen, insbesondere im Hinblick auf mögliche Entschädigungsforderungen des sahrauischen Volkes und der EU-Wirtschaftsakteure.
- die Kommission aufzufodern, einen Bericht über die Prozesskosten vorzulegen, die der EU durch die jahrelangen unnötigen und ungerechtfertigten Gerichtsverfahren seit dem ersten Urteil des Europäischen Gerichtshofs entstanden sind.
- Einleitung einer Sonderuntersuchung zu den Auswirkungen des Marokkogate-Skandals auf die Behandlung aller die Westsahara betreffenden Dossiers durch das Parlament, einschließlich der Verabschiedung der beiden Abkommen mit großer Mehrheit, die anschließend als rechtswidrig eingestuft wurden.
- Einleitung einer Sonderuntersuchung zu den wiederholten und schwerwiegenden rechtlichen Mängeln der Kommission bei der Behandlung der EU-Handelsbeziehungen mit der Westsahara.
- die Europäische Kommission dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dass sie das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten über das vorgeschlagene - und nun annullierte - Abkommen wissentlich in die Irre geführt hat.
- Durchführung einer Mission in die Westsahara, um den bilateralen Handel der EU mit diesem Gebiet zu überprüfen.
- eine Mission in die Geflüchtetencamps in Algerien zu entsenden, um die humanitären und sonstigen Bedürfnisse des sahrauischen Volkes zu ermitteln und die Grundlage für eine Neuordnung der Beziehungen der EU zum sahrauischen Volk und der ungelösten Westsahara-Frage zu schaffen;
An die Regierungen der EU-Staaten, die Importe aus der besetzten Westsahara zulassen, insbesondere Frankreich, Spanien, die Niederlande und Deutschland:
- Die korrekte Etikettierung von Waren aus der Westsahara zu gewährleisten, die ausschließlich die Westsahara als Herkunftsland dieser Waren angeben muss, unter Ausschluss jeglicher Bezugnahme auf Marokko. Rechtliche und administrative Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung dieser Verpflichtung zu gewährleisten;
- den in Marokko registrierten und tätigen Unternehmen zu raten, die Einfuhr von Waren aus der Westsahara einzustellen und nach alternativen Absatzmöglichkeiten zu suchen;
- die Kommission aufzufordern, dafür zu sorgen, dass ihre gesamte Politik gegenüber der Westsahara im Einklang mit der EU-Gesetzgebung und -Rechtsprechung steht, insbesondere im Hinblick auf die Listen der GD SANTE, um die Einrichtungen der Westsahara von der marokkanischen Liste auszuschließen.
An die lokalen und regionalen Behörden:
- Die nationalen Behörden sollen ermutigt werden, die notwendigen Maßnahmen in der EU zu ergreifen, um die Einfuhr von Waren aus der Westsahara ohne die Zustimmung des sahrauischen Volkes zu verbieten, bis die Selbstbestimmung verwirklicht ist.
An die importierenden Unternehmen:
- Sofortige Einstellung aller Käufe von Produkten, die aus der besetzten Westsahara ohne die Zustimmung des sahrauischen Volkes exportiert werden.
An die Kund:innen der Importunternehmen von Westsahara-Produkten:
- Sofortige Einstellung des Ankaufs von Produkten, die ohne die Zustimmung des sahrauischen Volkes aus der besetzten Westsahara exportiert werden
- Feststellung und Meldung falscher Etikettierung von Waren aus der Westsahara an die nationalen Behörden und an Solidaritätsgruppen der Zivilgesellschaft.
An die marokkanischen Behörden:
- Die sofortige Aussetzung der Anwendung aller mit der EU geschlossenen Abkommen in Bezug auf die Westsahara;
- die Genehmigung der Polisario-Front einzuholen, um sicherzustellen, dass die Zustimmung des sahrauischen Volkes in Bezug auf jegliche Geschäfte mit dem Gebiet und seinen natürlichen Ressourcen respektiert wird;
- Rückführung aller in der Westsahara ansässigen nationalen Institutionen und Agenturen, einschließlich der Zertifizierungsstellen wie dem ONSSA-Büro;
- Einhaltung der internationalen Menschenrechte und des internationalen humanitären Rechts in Bezug auf die Westsahara;
- internationalen Beobachter:innen, insbesondere Menschenrechtsbeobachter:innen, unabhängigen Medien und internationalen und regionalen Organisationen die Einreise in das Gebiet der Westsahara zu ermöglichen;
- Ratifizierung der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker sowie des Protokolls zur Errichtung des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Rechte der Völker
- sich in gutem Glauben an den von den Vereinten Nationen geführten Friedensgesprächen mit der Polisario-Front zu beteiligen, um die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts in der Westsahara zu verwirklichen, durch dass das Volk des Gebiets den Status des Landes unter allen verfügbaren Optionen, einschließlich der Unabhängigkeit, frei wählen kann.
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